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Politiker und Caritasvertreter haben sozialpolitische Baustellen diskutiert. | © Caritas München-Freising/Rauscher

Podiumsdiskussion mit Landtagskandidaten

Pressestelle der Caritas München und Oberbayern , München, 19.09.2023

Am 19.9.23 diskutierten Gülseren Demirel (Bündnis 90/Die Grünen), Dr. Alexander Dietrich (CSU), Julika Sandt (FDP), Rudolf Schabl (Freie Wähler) und Diana Stachowitz (SPD) im Pater-Rupert-Mayer-Haus mit Caritas-Vertretern und zahlreichen Gästen über sozialpolitische Maßnahmen.

Harald Bachmeier, Geschäftsleiter der Caritas München, begrüßte die zahlreichen Gäste und betonte, dass das Diskutieren mit politischen Akteuren eine Herzensangelegenheit der Caritas ist.

Impuls durch Caritasdirektor Prof. Dr. Sollfrank

„Die Nachwirkungen der Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine, anhaltend hohe Inflation, steigende und neue Armut, die fortschreitende Klimakrise, der demografische Wandel – und immer wieder Wohnungs- und Personalnöte. Das treibt uns als Sozialverband im Wahljahr 2023 um“, so eröffnete Caritasdirektor Prof. Hermann Sollfrank seinen Impulsvortrag. Er forderte eine Änderung im politischen Mindset. Wirtschaft, Sozialpolitik und Ökologie dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern müssten vernetzt gedacht werden. Der Caritasdirektor brachte die fünf sozialpolitischen Positionen der Caritas auf den Punkt:

1. Soziale Arbeit muss angemessen und dynamisch finanziert werden.

2. Wir brauchen Ausbildungsoffensiven, mehr Schulplätze, mehr Wertschätzung für soziale Berufe und bessere Arbeitsbedingungen.

3. Wir müssen Armut bekämpfen durch Bildung für alle und weitaus mehr bezahlbaren Wohnraum.

4. Wir müssen die Chancen der Integration von Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund in den Arbeitsmarkt dringend nutzen. Wir können es uns als Gesellschaft nicht mehr leisten, diese Chancen zu vernachlässigen.

5. Kein Rotstift bei Inklusion und Teilhabe.

Besonderen Fokus legte er auf die Schaffung bezahlbaren Wohnraums. Die sei die soziale Frage der kommenden Jahrzehnte. Sie berühre Fragen der Gerechtigkeit – und sie sei ein wesentlicher Standortfaktor geworden. „Betriebe brauchen Personal, Personal braucht bezahlbare Wohnungen. Und weder Betriebe noch Vermieter werden langfristig profitieren, wenn Pflegekräfte, Busfahrer, Polizisten, Erzieherinnen, Haustechniker oder Sozialberaterinnen aus teuren Ballungszentren wegziehen", erläuterte Sollfrank anschaulich.

Personalnotstand abwenden und soziale Infrastruktur sichern

„Sie alle spüren es hautnah: Es muss etwas passieren, damit ein Kollaps in der Altenpflege, in der Kinderbetreuung, in der Sozialberatung verhindert wird.“ Mit diesem dringlichen Appell richtete sich die im Caritasverband für Personal, Soziale Dienste und Altenhilfe zuständige Vorständin Gabriele Stark-Angermeier an die Anwesenden. Sie betonte, dass sich der weiter verschärfende Personalnotstand in allen Bereichen der Sozialwirtschaft auswirke. Neben Personalmangel und im besonderen Fachkräftemangel in der Erziehung oder Pflege seien auch Sozial-, Armuts-, Sucht- und Migrationsberatung betroffen genauso wie Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Sie forderte, mehr Menschen zu qualifizieren, Hürden für Quereinsteiger/-innen abbauen und mehr Menschen für soziale Berufe zu interessieren. Soziale Berufe müssten wertgeschätzt werden, auch hauswirtschaftliche und haustechnische Berufe. Sie sind systemrelevant, heute mehr denn je.

Außerdem sprach sie sich für eine schnelle Vor-Ort-Ausbildung von Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund und eine rasche Integration in den Arbeitsmarkt aus.

Sozialpolitische Baustellen im Visier

Das Podium griff dann die Fokusthemen Personalnot, Integration von Menschen mit Migrations- und Fluchthintergrund in den Arbeitsmarkt und fehlender sozialer Wohnraum auf.

Bei den Maßnahmen zur Bekämpfung der Personalnot waren sich die Kandidaten in einer Forderung einig: Schulgeld für eine Ausbildung im sozialen Sektor sei „absurd“ (Gülseren Demirel, Bündnis 90/Die Grünen), vielmehr müsse die Ausbildung vergütet werden. Der Direktkandidat der CSU, Dr. Alexander Dietrich, setzte insbesondere auf die Duale Ausbildung.

Laut Demirel ist eine schnelle und nicht einrichtungsbezogene Anerkennung ausländischer Abschlüsse dringend notwendig. Julika Sandt (FDP) forderte den „Bürokratie-Dschungel“ zu beseitigen, der ausländischen Fachkräften zugemutet wird. Rudolf Schabl, Münchner Direktkandidat der Freien Wähler, monierte ebenso eine ausufernde Behördenverwaltung wie zu lange Anstellungsverfahren.

Auch Quereinsteiger könnten laut Diana Stachowitz (SPD) dabei helfen, die Personalnot gerade in den Kitas zu lindern. Sie forderte eine möglichst 100-prozentige Refinanzierung durch den Freistaat, weil nur so gute Arbeitsbedingungen geschaffen werden könnten.

Kein Konsens beim Thema Migration

Beim Thema „Wie viel Zuwanderung brauchen wir?“ war das Podium uneinig. SPD-Parlamentarierin Diana Stachowitz betonte, wie wichtig es ist, dass Zuwanderer, die arbeiten wollen, schnell und unbürokratisch eine Arbeitserlaubnis bekommen: „Arbeiten. Am besten gleich.“ Eine Forderung, die die grüne Landtagsabgeordnete Gülseren Demirel unterstützte. Die Sprecherin für Integration, Flucht, Asyl und Vertriebene unterstrich, eine Willkommenskultur sei unabdingbar, damit sich die Menschen, die hier ankommen, nicht allein gelassen fühlen. Der Freistaat sorge für Bett und Dach, aber „leider nicht für ausreichende Asyl- und Sozialberatung“. CSU-Vertreter Dietrich hatte Bedenken, ob genug personelle, räumliche und finanzielle Ressourcen für gute Integration zur Verfügung stehen. Er setzt auf eine „Integrationsgrenze“, die sich an dem Machbaren für Kommunen orientiert. Schabl (FW) beobachtete neben einer Überlastung in den Kommunen auch eine nachlassende Hilfsbereitschaft. Eine gut gesteuerte Zuwanderung in den Arbeitsmarkt, „etwa mit einem Punktesystem“, ist laut Sandt (FDP) dringend notwendig. Menschen, die bereits hier sind und arbeiten wollen, müssten schnellstmöglich integriert werden.

Ansätze und Ideen rund ums Bauen und Wohnen

Die Angst vor sozialem Abstieg, Armut im Alter und Obdachlosigkeit beschäftigt immer mehr Menschen. Um Altersarmut zu bekämpfen, brachte der Vertreter der Freien Wähler eine Sozialversicherungspflicht für Selbständige als eine Maßnahme ins Spiel. Gegen Wohnungsnot, da waren sich alle Podiumsteilnehmende einig, helfe nur ein Bündel an Maßnahmen: Mehr Tempo und Ehrgeiz beim sozialen und genossenschaftlichen Wohnungsbau zulegen sowie insgesamt mehr Anreize fürs Bauen schaffen. Auch lasse sich das Problem nur langfristig und schrittweise ändern, vermutete Sandt (FDP). Dem Bürokratieabbau komme auch hier eine Schlüsselrolle zu. CSU-Mann Dietrich bilanzierte, dass sich derzeit 4.600 von den vor fünf Jahren versprochenen 10.000 neuen Wohnungen in Planungs- oder Genehmigungsverfahren befänden. Um die explodierenden Baukosten zu senken, schlug er eine Senkung der Mehrwertsteuer für bestimmte Baustoffe vor. Zudem empfahl er die Förderung von Immobilien-Eigentum, um ein ausgewogenes System zwischen Mieten und Kaufen herzustellen. Mehr Betriebs- und Dienstwohnungen, Genossenschaften und nachhaltig sozial geförderter Wohnungsbau sind Maßnahmen, die Gülseren Demirel forderte, um die Wohnungsnot zu lindern. Auch Diana Stachowitz glaubt nicht an die eine Maßnahme, sondern setzt auf Planungserweiterungen, Baukostensenkung, Städte, die baulich aktiv sind, und einen wirkungsvollen Einsatz des Zweckentfremdungsgesetzes. (rabe)

von Pressestelle

Ansprechpartner/-in

Bettina Bäumlisberger

Bettina Bäumlisberger - Pressesprecherin & Leitung Pressestelle | © Marcus Schlaf
Leitung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Pressesprecherin Portal Aktuelles und Themen | Caritas München und Oberbayern