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Mann in Badewanne auf der Straße | © Caritasverband München und Freising e.V.
Familie sitzt in einem Wohnzimmer auf der Straße | © Caritasverband München und Freising e.V.
Eine junge Frau sitzt an einem Schreibtisch und Ihren Möbeln auf dem Gehweg.  | © Caritasverband München und Freising e.V.

Jeder Mensch braucht ein Zuhause - die bundesweite Jahreskampagne 2018 der Caritas

Die Bevölkerung in Bayern wächst: Fast 13,5 Millionen Menschen sollen bis 2036 im Freistaat leben. Das haben Berechnungen des Landesamtes für Statistik in Fürth ergeben. Was heißt das für München und Oberbayern? 

In der Landeshauptstadt soll es einen Zuwachs von 175.000 Bürgern geben. Auch der Landkreis München und die angrenzenden Landkreise werden 12 bis 16 Prozent mehr Einwohnerzuwachs verzeichnen können als das übrige Bayern. Schon jetzt herrscht eine akute Wohnungsnot, die sich durch die vorausgesagten Weiterentwicklungen noch verschärfen wird. Wir brauchen dringend ausreichend bezahlbaren Wohnraum - bevor es immer schwieriger wird, die starke Nachfrage zu decken.  

Unsere Forderung seit Jahresbeginn: 1 Million mehr Wohnungen! 

Baubranche boomt, Wohnraum fehlt weiterhin

Um die Wohnungsnot zu reduzieren, braucht es mehr Förderung für den sozialen Wohnungsbau. HIer wurde im Koalitionsvertrag die Summe von zwei Milliarden Euro festgehalten und ein Baukindergeld für Familien, die bauen wollen. Es liegt allerdings nicht allein an den finanziellen Mitteln, dass der Wohnungsmarkt so angespannt ist: Es fehlen Bauflächen, Baufirmen und Handwerker können die Auftragsflut gar nicht so schnell abarbeiten, wie es nötig wäre. 

Kirche will handeln

Die schier unmögliche Bedarfsdeckung auf die Schnelle, bestätigt auch Münchens Alt-OB Christian Ude, der sich kürzlich gemeinsam mit Generalvikar Peter Beer in einem Zwiegespräch zum Thema „Grundrecht auf (bezahlbares) Wohnen?!“ Gedanken gemacht hat und gleichzeitig auf die soziale Verantwortung von Stadt und Kirche verwiesen hat. Unumwunden räumt Peter Beer ein: „Wir haben die Verantwortung uns beim Thema Wohnungsnot einzubringen. Als Erzdiözese haben wir noch reichlich Luft nach oben.“ Derzeit vermiete die Erzdiözese 658 Wohnungen und verwalte 1.600 Wohnungen für andere Trägerschaften. 

Mehr Geld fürs Bauen und Raum für neue Ideen

„Wir streben an, dass wir 30 Prozent Wohnungen für Mitarbeiter zu günstigeren Bedingungen anbieten, 30 Prozent für Menschen, die sich in sozialer Not befinden und dass wir 40 Prozent so vermieten, dass Rendite erzielt wird“, rechnet Beer vor. Dies sei nötig, um die anderen mitfinanzieren zu können. Zusätzlich habe das Katholische Siedlungswerk innerhalb der Erzdiözese fast 3.000 Wohnungen im Portfolio. „Hier haben wir das Eigenkapital um 20 Millionen Euro erhöht“, betont Beer, damit die Bauaktivitäten verstärkt werden könnten. Die Kirche will also handeln und zusätzlich auch „innovative Modelle“ entwickeln. 

Fakten

Fakten zum Thema Wohnungsnot in München und Oberbayern

In Artikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen heißt es: „Jeder hat das Recht auf einen Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztlicher Betreuung … “ 
 
In Artikel 106 (1) der Bayerischen Verfassung heißt es: „Jeder Bewohner Bayerns hat Anspruch auf eine angemessene Wohnung.“ Bezahlbares Wohnen ist also ein Menschenrecht und verfassungsrechtlich geschützt. 
 
Dennoch ist Wohnungsnot zu einer sozialen Wirklichkeit geworden, die  gesellschaftspolitisches Konfliktpotenzial birgt. „Jeder Mensch braucht ein Zuhause“ – das fordert der Deutsche Caritasverband plakativ und dem schließen wir uns uneingeschränkt an.  
 
Wo, wenn nicht in der Stadt mit den teuersten Wohnungspreisen und den höchsten Mieten wäre es passender, auf die Wohnungsnot und den eklatanten Mangel an bezahlbarem Wohnraum hinzuweisen. Wir als Caritasverband für München und Oberbayern wollen im Vorfeld der Landtagswahl Verbündete gewinnen, Ursachen benennen, Lösungsvorschläge unterbreiten und auch Forderungen an die Politik stellen.

Die Mieten legen in München und Umgebung einen Preisgalopp hin, der es in sich hat. Mit 17,57 Euro pro Quadratmeter ist die Landeshauptstadt einsamer Spitzenreiter bei den Mietpreisen für Neubauwohnungen in Deutschland. Kostete eine 30-Quadratmeter-Wohnung 2011 in München noch rund 460 Euro, sind es heute schon 730 Euro. Die Mieten entkoppeln sich zunehmend von der Einkommensentwicklung. Ein Ende der Preisspirale ist nicht in Sicht. 
 
Damit wird Wohnen für eine immer größere Gruppe von Menschen unerschwinglich und zum Armutsrisiko. Die Wohnungsnot in München und Oberbayern trifft nicht mehr nur sozial Schwache und ihre Familien, Rentnerinnen und Rentner, Geringverdiener oder Alleinerziehende, auch wenn sie in besonderer Weise davon betroffen sind. Nein, die Wohnungsnot ist leider in der Mitte der Gesellschaft angekommen.  
 
Familien, Fachkräfte, Studierende und Berufseinsteiger können sich das Leben in der Isarmetropole nicht mehr leisten. Ohne sie aber wird es nicht nur trostloser werden in dieser schönen Stadt. Wenn zunehmend die Größe des Geldbeutels bestimmt, wie sich Stadtteile zusammensetzen, führt dies zu einem Auseinanderdriften von Milieus und schwächt den gesellschaftlichen Zusammenhalt. 
 
Wenn immer mehr Menschen immer weniger bezahlbaren Wohnraum finden, trifft uns das auch als Arbeitgeber. Für den Diözesan-Caritasverband wird es zunehmend schwieriger, im Ballungsraum München Personal zu finden, das in der Nähe seines Arbeitsplatzes leben kann. Mit dem – wohl gemerkt tariflichen! – Gehalt einer Erzieherin oder einer Pflegefachkraft können diese sich eine Wohnung in München nicht mehr leisten. Schon gar nicht, wenn sie mit der Familie ein Dach über dem Kopf suchen. 
Knapper Wohnraum und steigende Mieten greifen tief in das Leben der Menschen ein. Oft übersteigen die Kosten für eine angemessene Bleibe die 50- oder gar 60-Prozent-Marke des Haushaltseinkommens. Die Miete frisst den Lohn auf. Als erträgliche Grenze für die Mietbelastung gelten gerade mal 30 Prozent des Einkommens. 
 
Ein paar plakative Zahlen aus München verdeutlichen das Problem: 
Die Zahl der Obdachlosen hat sich in den letzten 10 Jahre verdreifacht. Knapp 9000 Menschen müssen in dieser reichen Stadt auf der Straße leben, darunter fast 2000 Kinder. Das sind alarmierende Zahlen. 
Täglich kommen 1500 Menschen ins Wohnungsamt auf der Suche nach einer bezahlbaren Bleibe. Aber jährlich können dort gerade mal 3000 Wohnungen vermittelt werden. 
 
Eine Studie (Menschenrecht auf Wohnen, Institut Ipsos) im Auftrag des Deutschen Caritasverbandes hat ergeben: 
 

In Deutschland fehlen 1 Million Wohnungen. Tendenz: stark steigend.  
 

  • Bezahlbares Wohnen gehört neben Pflege, Kinderarmut und Alterssicherung zu den drängendsten politischen Themen. 
  • Vier von fünf Deutschen sehen in den hohen Wohnungskosten ein erhebliches Armutsrisiko (79 Prozent)  
  • 77 Prozent der Befragten sehen demzufolge die Entwicklung von Kindern beeinträchtigt. Hohe Wohnkosten führen für drei Viertel der Befragten zu einer räumlichen Trennung von armen und reichen Menschen und begründen die Gefahr von Obdachlosigkeit. 
  • Damit ist bezahlbares Wohnen eines der großen sozial- und verteilungspolitischen Themen. Wohnen ist die soziale Frage in Deutschland und vor allem in unserem Wirkungskreis München und Oberbayern. 

Die explodierenden Mieten ... 
 
... haben mit dem massiven Zuzug in die Ballungszentren zu tun. 
 
...haben mit dem zögerlichen Bau von staatlich mitfinanziertem bezahlbaren Wohnraum zu tun und dem gleichzeitigen Abbau von Sozialwohnungen. Denn es fallen erheblich mehr Sozialwohnungen aus der Sozialbindung als neu gebaut werden. 
 
... hängen auch mit der Begrenztheit des Bodens zusammen.

Sozialpolitische Forderungen unseres Diözesan-Caritasverbands zum Thema Wohnen

Die Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt sind bedenklich und können eine Gesellschaft sogar spalten. Bezahlbares Wohnen ist eine der großen sozialen Fragen. Wenn wir hier nicht nachhaltig handeln, kann das den sozialen Frieden in unserem Land empfindlich stören. 
Die Politik muss die Rahmenbedingungen so ändern, dass die Gesellschaft nicht noch weiter auseinanderdriftet - in Arm und Reich, oder in Wohnungslose und Wohnungssuchende auf der einen und Menschen, die sich eine Wohnung leisten können, auf der anderen Seite.  
 
Deshalb stellen wir folgende Forderungen an die Politik: 
 
1.   Wir brauchen ein neues, soziales Bodenrecht. Das heißt wir müssen der Spekulation mit Grundstücken Einhalt gebieten. Es kann nicht sein, dass einzelne Spekulanten Gewinne aus Wertsteigerungen ziehen, die durch neues Baurecht entstehen oder durch eine gute Infrastruktur (Straßen, Schulen und Kindergärten, ÖPNV), die – und das möchte ich ausdrücklich betonen – die die Allgemeinheit und nicht der Eigentümer finanziert hat. Auch hier genügt ein Blick in die Bayerische Verfassung, um die rechtlichen Grundlinien darzustellen. In Artikel 161 (2) heißt es: „Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besonderen Arbeits- und Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen.“  

Um sagenhafte 300 Prozent sind die Bodenpreise in München allein in den vergangenen zehn Jahren gestiegen. Momentan werden Gewinne aus Bodenwertsteigerungen weder besteuert noch gesteuert zum Wohl der Allgemeinheit. Auch der grundgesetzlich vorgegebenen Forderung „Eigentum verpflichtet“ kommen institutionelle Grundbesitzer kaum nach. Boden ist nicht vermehrbar. Und wie die Erfahrungen zeigen, ist es wenig sinnvoll, ihn allein dem Spiel des freien Marktes zu überlassen. 

Die Reform des Bodenrechts ist (wie Altoberbürgermeister Christian Ude auf unserer Führungskräftetagung in Ottobrunn) ein Jahrhundertthema und eine Jahrhundertaufgabe der Politik. Eine Reform des Bodenrechts muss leistungslose Steigerungen des Bodenwerts für die Allgemeinheit, für die regionale und soziale Daseinsvorsorge nutzen. Dabei geht es nicht so sehr um die Besitzer einer Eigentumswohnung oder eines Hauses. Es geht bei der Bodenrechtsreform um die institutionellen Anleger und Eigentümer, die die Preisspiralen in den Ballungsräumen immer weiter nach oben drehen. 
  
2.   Wir brauchen eine große Offensive für mehr bezahlbaren Wohnraum. Das heißt, der Staat (Land und Kommunen) muss wieder mehr Sozialwohnungen bauen. Erste gute Ansätze sind erkennbar. Der Bund will zwei Milliarden investieren und auch Bayerns neuer Ministerpräsident Söder hat ein Milliarden-Wohnungsbauprogramm (und 2000 neue Wohnungen in München) angekündigt. Angesichts der rasanten Urbanisierung der Gesellschaft halte ich die angekündigten Maßnahmen für nicht ausreichend. Nach Prognosen des bayerischen Innenministeriums wird Münchens Bevölkerung in den nächsten zehn Jahren um 12 Prozent wachsen, die des Umlands um gut 15 Prozent. Das wird Wohnraum erneut verknappen und damit verteuern, wenn nicht durch entsprechende Baumaßnahmen gegengesteuert wird. 
Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln rechnete allein für München einen jährlichen Bedarf von 17.180 neuen Wohnungen aus. Gebaut wird nur ein Drittel davon (5600). 
  
3.   Wir brauchen mehr Genossenschaften und staatliche Wohnungsbaugesellschaften. In den vergangenen Jahren wurden viele kommunale Wohnungsbaugesellschaften privatisiert. Auch das führte in der Folge zu Mietsteigerungen. 

Caritas-Projekte zum Thema Armut und Wohnen

Bundesweit beschäftigt sich die Caritas mit der Frage, wie der soziale Zusammenhalt und auch der Wohnungsbau unterstützt werden kann. Auch wir engagieren uns nicht nur sozialpolitisch, sondern haben einige Projekte, die sich an wohnungslose Menschen in München und Oberbayern richten und die gut zur Jahreskampagne 2018 passen. Diese stellen wir hier exemplarisch vor.