München, 3. Juni 2022
Münchner Sozialcourage Medienpreis 2022
Zum achten Mal in Folge hat der Diözesan-Caritasverband den „Münchner Sozialcourage Medienpreis“ in den Kategorien Print, Fernsehen, Hörfunk und online verliehen. Caritasdirektor Prof. Dr. Hermann Sollfrank und seine Vorstandskollegen Gabriele Stark-Angermeier und Thomas Schwarz begrüßten die Preisträger/-innen und überreichten die mit jeweils 1.000 Euro dotierten Urkunden und Pokale. Bettina Bäumlisberger, Pressesprecherin des Verbands, ermutigte zu einem werteorientierten Journalismus über soziale Themen in München und Oberbayern. Der Begriff „Sozialcourage“ bezeichne in der Caritas das entschiedene Eintreten und oft auch mutige Engagement für Menschen am Rande der Gesellschaft. Er sei auch der Titel des bundesweiten Caritas-Magazins, in dem Berichte, Interviews und Reportagen zu sozialen und sozialpolitischen Themen zu lesen seien. Insgesamt wurden in diesem Jahr fast 50 Beiträge eingereicht.
BR STATIONEN: Thema Demenz
Die Auszeichnung in der Kategorie Fernsehen erhielten Andrea Kammhuber und ihr Team für die BR STATIONEN Reportage „Vergiss-mein-nicht: Miteinander trotz Demenz“. Nach jüngsten Schätzungen leben in Deutschland rund 1,7 Millionen Menschen mit Demenz, in Bayern sind es mehr als 240.000. Die meisten von ihnen sind von der Alzheimer-Krankheit betroffen. Sie ist nicht heilbar. Tag für Tag treten durchschnittlich 900 Neuerkrankungen auf. Sie summieren sich auf jährlich mehr als 300.000. Tendenz steigend. „Demenz in einer älter werdenden Gesellschaft nur in abstrakte Zahlen zu fassen, wäre ein sehr nüchterner Weg. Die Autorin Andrea Kammhuber und ihr Team vom Bayerischen Fernsehen sind den konkreten, äußerst bildhaften und zuweilen emotional sehr anrührenden Weg gegangen. Ein Pfarrer aus Starnberg musste beispielsweise erst seinen Beruf aufgeben, dann seine Hobbys, schließlich auch das Schreiben. Blumen gießen, einkaufen – vieles macht ihm Angst. Mit Geld kann er nicht mehr umgehen. Ehefrau Elke hat vollständig die Führung der Alltagsgeschäfte übernommen. Mit großer Offenheit, aber äußerst rücksichtsvoll interviewten die Reporter/-innen Betroffene und ihre Angehörigen. In Episoden erzählt der Film von ihren Nöten und Sorgen und auch davon, wie und wo sich Angehörige Hilfe und Entlastung holen können“, wertschätzte Sollfrank den Fernsehfilm in seiner Laudatio.
SZ-Magazin: Thema psychische Erkrankungen
In der Kategorie Print wurde Autorin Sarah Bioly für ihre Reportage „Unerreichbar“ im SZ-Magazin ausgezeichnet. Ein Mann hat Wahnvorstellungen. Sein Bruder sieht sich immer wieder vor die Entscheidung gestellt, ob er eine Zwangseinweisung in die Psychiatrie herbeiführen soll. Jury-Mitglied Pater Alfons Friedrich, Leiter der Don Bosco Medien GmbH, erklärte in seiner Würdigung: „Sarah Bioly lässt die Lesenden Anteil nehmen an dieser tragischen Geschichte. Sie zeigt auf, wie sich die Rechtslage gestaltet, die psychisch Kranken sehr viel Selbstbestimmungsrecht einräumt. Doch was bedeutet dies, wenn der Kranke gar nicht mehr in der Lage ist, seine Situation einzuschätzen, geschweige die eigene Rolle zu bestimmen?“ Sarah Bioly gelinge es mit ihrem Beitrag hervorragend, die Leser/-innen mit auf einen langen Weg zu nehmen, der das Krankheitsbild eines Betroffenen darstelle und die Hilflosigkeit der Angehörigen beschreibe. „Durch die Beschreibung der Gefühle der Protagonisten, durch die klare Darlegung eines verhängnisvollen Prozesses, der scheinbar keinen Ausweg kennt, entsteht beim Lesenden eine Spannung und an manchen Stellen sogar ein Beklommenheitsgefühl. So wird die Krankheit plötzlich konkret. Sarah Bioly schafft es beeindruckend zu vermitteln, was eine solche Erkrankung beinhaltet, wie schwer es ist, damit umzugehen, und was dies alles mit Angehörigen macht.“ Auch die Bedeutung des Rechts auf Selbstbestimmung trete immer wieder in den Vordergrund und werfe neue Fragen auf, die Sarah Bioly am Ende ihrer Geschichte den Protagonisten einfach aussprechen ließe: „Wieso habt ihr mich das tun lassen? Warum habt ihr so lange gewartet?“
BR PULS/Die Frage: Thema Amputation
Die Auszeichnung in der Kategorie Online ging an BR PULS/Die Frage für den Beitrag „Amputation: 33 Operationen konnten mein Bein nicht retten. Wie komme ich mit meinem Körper klar?“. Gertrud Rogg, Chefredakteurin des Magazins „Sozialcourage“, gratulierte dem Team für seine einfühlsamen und dennoch direkten Fragen, die viele Blickwinkel aus Protagonistin Anna „herauskitzelten“. Anna lässt sich knieabwärts das erkrankte Bein amputieren. Und sie lässt über ihren Instagram-Account sehr viele Menschen in ihr Leben davor und danach blicken. „Oft wird beklagt, dass in den Sozialen Medien alle nur die tollen Bilder aus ihrem Lebens posten. Negatives ist tabu. Und die vorgegaukelte schöne heile Welt hat schon so manche Kinder und Jugendlichen in Stress und Depressionen getrieben. Bei unserer Hauptakteurin Anna ist es umgekehrt: Ohne Berührungsängste nimmt sie ihre Community mit hinein in ihre langwierige Krankheitsgeschichte. Mit erstaunlicher Offenheit postet sie Bilder von ihrem anscheinend unheilbaren Knie - bis sie das Bein auf eigenen Wunsch amputieren lässt“, schildert Rogg. Schonungslos sich selbst gegenüber mute sie auch schonungslos ihrer Community sich und ihr Bein zu. „Nicht nur das Team, unter anderem bestehend aus Frank Seibert, Samira Schütz und Robert Stöger, sondern auch Protagonistin Anna haben für ihre Zumutung, also ihre Courage den Sozialcourage-Medienpreis verdient.“
BR 2: Thema Überschuldung
Preisträgerin in der Kategorie Hörfunk ist Gesche Piening für ihr Hörspiel „bin pleite ohne mich. Leben mit Privatinsolvenz“. Bernhard Remmers, Journalistischer Direktor des ifp – die katholische Journalistenschule, würdigte den Beitrag mit den Worten: „53 Minuten dauert das Stück. Und die Menschen, die auf Bayern 2 oder später beim Deutschlandfunk Kultur und dem Schweizer Radio zugehört haben, werden ganz bestimmt nicht sachlich nüchtern zurückbleiben. Es ist kein klassischer journalistischer Beitrag. Zum Glück!“ Die Kunstform des Hörspiels gebe dem Thema viel mehr Möglichkeiten. Das Hörspiel reihe beinahe monoton eine Stimme, einen Bericht an den anderen. Persönliche Berichte aus zahlreichen Interviews mit Betroffenen. „Der Beitrag urteilt nicht und er beschönigt auch nicht. Stattdessen ziehen Sprache, Stimmen, Worte – nur wenig unterstützt von kurzen Musikeinsätzen – in den Bann. Das Hörspiel entfaltet einen eigenen Rhythmus, der uns den Menschen in diesen Geschichten immer näherbringt. Das ist die eigentliche Leistung des Hörspiels von Gesche Piening: Indem sie den Betroffenen eine Stimme gibt, auf diese ungewöhnliche und sogmächtige Art, entstehen Nähe und Gemeinschaft unter Menschen. Das ist zutiefst christlich.“ (mmr)