Caritas-Vorstand (v.li. Sollfrank, Stark-Angermeier, Schwarz) warnt vor rasant steigender Armut und berichtet von entsprechend zunehmendem Beratungs- und Unterstützungsbedarf.
München, 12. Juli 2022

Soziale Arbeit in Zeiten von Krieg, Corona und hohen Kosten

Schnell und flexibel reagiert der Caritasverband der Erzdiözese München und Freising e.V. auch im 100. Jahr seines Bestehens auf die zahlreichen Krisen unserer Zeit und die damit einhergehenden Sorgen und Nöte der betroffenen Menschen. Neben Ukraine-Krieg und Flüchtlingsschicksalen sind die Corona-Pandemie, die Energiekrise und der Klimaschutz sowie die Folgen einer außergewöhnlich hohen Inflation und ansteigenden Wohnungsnot die großen Herausforderungen für die Einrichtungen, Dienste und Sozialberater/-innen der Caritas. Daneben kämpft Oberbayerns größter Sozialverband mit Bürokratismus, auslaufenden Rettungsschirmen und einem schon lange anhaltenden Personal- und Fachkräftemangel. „Dennoch ist und bleibt die Caritas ein verlässlicher und solider Partner, gerade in herausfordernden Zeiten“, so der Vorstand einmütig auf der Jahrespressekonferenz am Dienstag, 12. Juli 2022 in München.
 
Alle Flüchtlinge gleichbehandeln!
Diözesan-Caritasdirektor Prof. Dr. Hermann Sollfrank setzte sich für eine Gleichbehandlung aller Geflüchteten in Deutschland sowie einen schnellen Zugang zum Arbeitsmarkt für alle Migranten ein.“ Zudem stellte Sollfrank ein Positionspapier vor, in dem die Caritas als Spitzenverband von gut 100 Mitgliedsorganisationen mit 1.500 Einrichtungen und Diensten und 30.000 Beschäftigten in München und Oberbayern fordert, dass alle Geflüchteten gleich geachtet und behandelt werden. Es dürfe keinen Zwei-Klassen-Umgang mit Menschen auf der Flucht geben! Zudem seien mehr Integrationsangebote, Familiennachzug, Hartz-IV-Leistungen und konkrete Angebote, um sich in strukturschwachen Regionen niederlassen zu können, erforderlich. Generell sei Deutschland ein Einwanderungsland und Zuwanderung die einzige Möglichkeit, damit „wir nicht unseren Wohlstand verlieren.“
 
Entlastungspakete in schwierigen Zeiten!
„Ein Beispiel gelebter Nächstenliebe ist die vielfältige solidarische Hilfe für die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. „Insgesamt 30.000 Ukrainern und Ukrainerinnen haben wir bis jetzt mit einem warmen Essen und Getränken, vielen Informationen und Begleitung, einem Trost oder einer Umarmung geholfen.“ Nach dem Angriffskrieg auf die Ukraine stünden harte Jahre bevor. Die hohe Inflation und die explodierenden Energiepreise um bis zu 400 Prozent seien ein Vorgeschmack dessen, was auf die Menschen an substanziellen Belastungen zukommen werde. „Die rasant steigenden Preise werden zum sozialen Sprengstoff, wenn wir nicht gegensteuern. Wir brauchen eine große gemeinsame und solidarische Kraftanstrengung von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Starke Schultern müssen mehr tragen als schwache“, mahnte Sollfrank weitere Entlastungspakete an.
 
Steigende Armut: Tafelkunden haben sich verdoppelt!
Caritas-Vorständin Gabriele Stark-Angermeier bemängelte, dass die „Energiepreis-Pauschale“ alle einkommenssteuerpflichtigen Erwerbstätigen in Anspruch nehmen könnten, Rentner und Rentnerinnen mit Grundrente aber durchs Raster fielen. Zusätzlich zu den hohen Mieten in den Ballungsräumen der Erzdiözese hätten die Menschen nun auch noch mit steigenden Nahrungsmittel- und Rekordenergiepreisen zu kämpfen, zum Beispiel Empfängerinnen und Empfänger von Wohngeld. „Die Strompreise sind kontinuierlich gestiegen und werden 2022 drastisch in die Höhe gehen – die Löhne und der für den Strom vorgesehene Anteil in den Regelsätzen der Sozialleistungen dagegen nicht.“ Die Caritas-Vorständin warnte vor einer rasant wachsenden Welle der Armut. „Sowohl in München als auch in ländlich geprägten Gebieten hat sich die Anzahl der Kunden an unseren Lebensmitteltafeln in den letzten Wochen verdoppelt. Gleichzeitig geht die Anzahl der Warenspenden aus dem Einzelhandel zurück.“
 
Wir brauchen klare Corona-Maßnahmen!
Von der Politik forderte sie noch vor Beginn der Sommerferien mehr Anstrengungen und Klarheit, was die Corona-Maßnahmen für den Herbst betrifft. „Bitte machen Sie jetzt die Regeln und nicht erst mit Schuljahresbeginn. Da ist es zu spät! Wir haben in unseren Kitas, Alten- und Behinderteneinrichtungen bereits bestens funktionierende Hygienekonzepte. Bei einem Infektionsausbruch muss nicht die Vollschließung einer Einrichtung erfolgen. Der Caritasverband der Erzdiözese München und Freising e.V. betreibt 27 Altenheime, 117 Kindertageseinrichtungen, 23 Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen sowie zahlreiche Beratungseinrichtungen und Dienste. Hier wünschen wir uns einheitliche und klare Regelungen und keine unterschiedlichen Interpretationen für jeden Landkreis“, forderte Stark-Angermeier.

Politik muss für Planungssicherheit sorgen!
Der Jahresüberschuss des Caritasverbands betrug für das vergangene Jahr rund 3,1 Millionen Euro. Vorstand Thomas Schwarz zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis: „Für 2021 erzielten wir trotz der anhaltenden Mehraufwendungen durch die Corona-Pandemie und vieler zusätzlicher Belastungen wieder einen ausgeglichenen Jahresabschluss. Den Großteil unserer Erträge – nämlich rund 58 Prozent – generieren wir aus Umsatzerlösen und Leistungserträgen. Ein gutes Drittel unserer Einnahmen erhalten wir über öffentliche und kirchliche Zuschüsse.“ Schwarz bedankte sich bei der Erzdiözese München und Freising, die die Caritas-Arbeit 2021 mit rund 27 Millionen Euro unterstützt habe und bei der Regierung für die Corona-Rettungsschirme. Mit Blick auf den Herbst und eine nächste große Coronawelle appellierte Schwarz an die Politik, umgehend weiterhin für eine auskömmliche Finanzierung zu sorgen, „damit unsere Alten- und Behindertenheime Planungssicherheit haben.“ Zudem machte er sich dafür stark, Menschen mit Behinderungen in Pandemiezeiten zwar zu schützen, aber nicht auszugrenzen.
 
Caritas setzt sich für Klimaschutz ein!
Kontinuierlich setzt der Caritasverband München-Freising Initiativen mit dem Ziel steigender Nachhaltigkeit um. Mit einem Stromanbieterwechsel ist der Caritasverband zum
1. Januar 2021 auf grünen Strom umgestiegen. Für die Caritas-Zentrale, das Pater-Rupert-Mayer-Haus, sowie den überwiegenden Teil der Einrichtungen wird seitdem ausschließlich Strom aus regenerativen Energiequellen verwendet. „In der ambulanten Pflege laufen die ersten Pilotprojekte zum Einsatz von E-Autos. Zum 1. August 2022 werden wir für unsere Mitarbeitenden das Angebot, ein Dienstrad zu leasen, einführen“, berichtete Schwarz. „Für 2021 haben wir basierend auf unseren Verbrauchszahlen das erste Mal unsere gesamtverbandliche Klimabilanz strukturell erfasst, um darauf aufbauend entsprechende Maßnahmen zur Vermeidung und Reduzierung bzw. Kompensation des CO2-Austoßes zu ergreifen, um unserem Ziel Stück für Stück näher zu kommen: einem klimaneutralen Caritasverband München-Freising 2030.“ (mmr)