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Zwei Personen halten Schilder mit der Aufschrift Wählt Menschlichkeit | © Caritasverband München und Freising e.V.


Caritas-Botschaft an die Landtagspolitiker: Soziale Aspekte im Wahlkampf betonen

Die Zahl der Obdachlosen in Bayern ist stark angestiegen. Besonders in den Großstädten herrschen alarmierende Zustände. Allein in München leben knapp 9.000 Wohnungslose, darunter gut 1.600 Minderjährige. Eine genaue Statistik für die Bundesländer oder auf Deutschland bezogen gibt es nicht. 

Das Recht auf eine angemessene Wohnung ist verfassungsrechtlich verankert (Art. 106) In der Bayerischen Verfassung steht auch, dass ein leistungsloser Vermögenszuwachs durch Bodenwertsteigerungen der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen ist (Art. 161). Praktisch umgesetzt ist das oft nicht. 

Wir beobachten, dass immer mehr junge Leute wohnungslos werden. Darauf reagieren wir zum Beispiel in unserem Caritas-Zentrum Fürstenfeldbruck mit dem Projekt „JuWo -- Beratungsstelle und Unterkunft für junge, akut wohnungslose Erwachsene". Bis zu fünf junge Menschen zwischen 18 und 27 Jahren können aufgenommen werden. Durchschnittlich sind vier Plätze belegt. Die meisten dieser Klienten leben in Familien, in denen Streit und Gewalt den Alltag dominieren. Nach der Volljährigkeit verlassen die jungen Erwachsenen das Elternhaus. Und weil sie noch eine Schule besuchen, eine Lehre machen oder von Sozialhilfe leben, können sie sich im Großraum München keine Wohnung leisten. In München unterhalten wir mehrere Jugendwohnheime – Herzogspitalstraße, Hiltenspergerstraße, Zieblandstraße – auch, um z.B. Azubis günstigen Wohnraum anzubieten.

Die Wohnungsnot ist längst die soziale Frage unserer Zeit. Vor allem in Ballungszentren wie München und Umgebung sind die Mieten so hoch, dass sie auch für Normalverdiener zum Problem werden können. Gerade die Preise für Neubauwohnungen sprengen oft den Rahmen, der Bürgern sogar mit guten Berufen und auch überdurchschnittlichen Einkommen gesetzt ist. (Für München: 17,90 Euro Miete pro Quadratmeter Neubau, ein Plus von 61% im Vergleich zu 2008. Eigentum kostet z.B. am Nockherberg rund 10.000 Euro pro Quadratmeter; 100 qm kosten demnach ca. 1 Mio Euro) 
Die Wohnungsnot trifft alle. 
 

  • Die Armen und Benachteiligten besonders hart. 
     
  • Das Problem trifft die Mittelschicht, die sich arm wohnt, wenn sie überhaupt eine Bleibe findet in der Nähe ihres Arbeitsplatzes. Unsere Erzieherinnen, Altenpfleger oder hauswirtschaftlichen Kräfte suchen oft vergeblich bezahlbaren Wohnraum in und um München. Das erschwert die Besetzung solcher Arbeitsstellen im Kita- oder Pflegebereich erheblich. Und erst recht, wenn die vom bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder ins Spiel gebrachte Pflegeplatzgarantie greifen würde. 
     
  • Wohnungsnot trifft aber auch diejenigen, die kein Wohnproblem haben. Denn ein München, das seine Erzieherinnen, Krankenschwestern und Pflegekräfte, Polizisten, Handwerker, Trambahn- oder Busfahrer aus der Stadt vertrieben hat, will ja wohl keiner. 


Die Politiker haben das Problem erkannt und werben mit zahlreichen wohnungspolitischen Versprechen. Die Mietpreisbremse soll nachjustiert werden. Sie wäre dann aber immer noch ein stumpfes Schwert. Weder Verbände von Mietern noch die von Vermietern erwarten entscheidende Änderungen durch diesen Gesetzentwurf. Die Position der Mieter wird nur theoretisch dadurch gestärkt, dass z.B. Rügen leichter möglich sind. Wegen des knappen Angebots sind Mieter aber bereit, vieles zu akzeptieren, damit sie überhaupt eine Wohnung bekommen. Die SPD fordert nun sogar eine Mietpreiswende mit Koppelung der Mieterhöhungen an die Inflationsrate. Auch wenn dies die Steigerungen deckelt, bleibt es dennoch ein Mieterhöhungsprogramm. 

Das Einzige, was gegen die hausgemachte Wohnungsnot hilft, sind neue Wohnungen – viele und dauerhaft bezahlbare. Hier wünsche ich mir von den Politikern aller Parteien viel mehr Ehrgeiz. 10.000 neue Wohnungen bis 2025, gebaut von einer staatlichen Wohnungsbaugesellschaft, fällt für mich nicht unter die Kategorie ehrgeizig. Angesichts der Versäumnisse der vergangenen Jahre, in denen bspw. auch zur Sanierung einer Landesbank in einem Rutsch 33.000 günstige Wohnungen privatisiert wurden statt bezahlbaren Wohnraum zu retten, müsste eine Wohnungsbau-Offensive starten, die diesen Namen verdient – mit jährlich fünfstelligen Zahlen beim Bau öffentlicher, sozialer und gemeinnütziger Wohnungen. Der soziale Wohnungsbau muss mit Vollgas vorangetrieben werden. 

Und damit eine soziale Wohnungspolitik nachhaltig wirkt, sollten die Bindungsfristen von gefördertem Wohnraum möglichst dauerhaft sein, mindestens jedoch 50 Jahre. Zwar hat OB Reiter die Bindungsfristen für Wohnungen des städtischen Förderprogramms „München-Modell“ mit einem durchschnittlichen Mietpreis von derzeit 11,50 Euro, was teilweise über dem Mietspiegel liegt, auf bis zu 60 Jahre drastisch verlängert – und damit ein deutliches Signal gegen den Aufwärtstrend der Mieten gegeben. Die günstigeren Wohnungen in den EOF-Modellen (Einkommensorientierte Förderung) mit durchschnittlichem Mietzins unter 10 Euro pro Quadratmeter jedoch fallen früher aus der Bindungsfrist. Denn die liegt in der Regel bei nur 25 Jahren. Staatliche Flächen sollten grundsätzlich preisgünstig für den Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden. Auch Erbbaumodelle sind oft gute Lösungen. 

Unsere Forderungen im Überblick

Wohnungsbauoffensive 

  • mehr staatliche Wohnungsgesellschaften 
  • mehr Genossenschaftlicher Wohnungsbau 
  • Soziale Bindungsfristen verlängern (50 Jahre +) 
  • Städte und Kommunen können bei eigenem Grundbesitz über Vergabe- und Bewirtschaftungspraxis sozial steuern 

"Jeder Mensch braucht ein Zuhause"

Unsere Caritas weist auf öffentlichen Plätzen und Veranstaltungen mit ihrer Jahreskampagne „Jeder Mensch braucht ein Zuhause“ auf den eklatanten Mangel an bezahlbarem Wohnraum in München und Oberbayern hin. 

Wir würden uns wünschen, dass die Parteien im Wahlkampf mehr soziale Aspekte betonen. Es gibt kaum Aussagen zu Inklusion, psychiatrischer Versorgung oder nachhaltiger Bekämpfung von Armut und Wohnungsnot. Gerade Seniorinnen und Senioren macht der Blick in die Zukunft Angst. Durchschnittlich erhält ein Rentner in München 1100 Euro, eine Rentnerin 785 Euro. Das Risiko, in die Altersarmut abzurutschen, wird immer größer, zumal in einer teuren Stadt wie München. Hier gilt als arm, wer weniger als 1350 Euro zur Verfügung hat. 

Das betrifft natürlich auch viele Familien, die von Hartz-IV leben. Umso unverständlicher, dass erneut ein politischer Streit auf dem Rücken der Schwächsten ausgetragen wird. Ich fordere Bundessozialminister Hubertus Heil auf, sowohl das bayerische Familiengeld als auch das Pflegegeld nicht auf Hartz-IV-Leistungen anzurechnen. Es gibt Ausnahmeregelungen im Sozialrecht, die greifen können. Die wenig wohlwollende Rechtsauslegung des Bundesministeriums halte ich für unsozial und für nicht nachvollziehbar. 

Seit acht Jahren boomt die deutsche Wirtschaft. Die Steuerquellen sprudeln wie nie. Bei den am Rande der Gesellschaft stehenden Menschen kommt davon herzlich wenig an. Wenn dann schon mal die Möglichkeit besteht, die Kinder der Ärmsten der Armen zu unterstützen, sollte der Bund nicht gleich die restriktive Keule rausholen. Hartz-IV-Familien wird ohnehin schon das Kindergeld und jede Erhöhung des Kindergeldes angerechnet, sie profitieren nicht von den Erhöhungen des Grundfreibetrags oder anderen steuerlichen Erleichterungen. Das ist im prosperierenden und damit teuren München ein hartes Brot. 
Interessant ist der Ansatz von Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter, Sozialleistungen nach Bundesgesetzen wie etwa Hartz-IV regional zu differenzieren. Damit würde den höheren Lebenshaltungskosten der Isar-Metropole Rechnung getragen. 

Wir möchten die Bürgerinnen und Bürger ermuntern, bei den Parteien und den wahlkämpfenden Politikern mehr soziale Verantwortung einzufordern. Wir wollen eine offene, vielfältige und vor allem solidarische Gesellschaft. Und wir wollen den sozialen Zusammenhalt in unserem Land stärken und gesichert sehen. Deshalb appellieren wir an die Bayern, auf jeden Fall wählen zu gehen und die Stimme bei der Landtagswahl für eine soziale Politik abzugeben. 

Nur eine soziale Politik führt dazu, dass Deutschland weltoffen in eine Zukunft geht, die sich rasant verändert. 
Solidarität und Mitmenschlichkeit hätten speziell bei den Themen Armut und Flüchtlinge mehr Aufmerksamkeit verdient. 
Umso irritierter war ich dieser Tage, als ich den Satz hörte, Migration sei die Mutter aller Probleme. Das sehe ich anders. 
Migration könnte vielmehr die Lösung für zahlreiche Probleme sein, z.B. beim Fach- und Hilfskräftemangel in Senioren- und Pflegeheimen, auf dem Betreuungsmarkt oder im Handwerk. 

107.000 Ausbildungsplätze sind im Freistaat gemeldet. 30.000 sind unbesetzt. Gleichzeitig wird vielen Asylbewerbern der Zugang zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt verwehrt – oft auch, wenn ein unterschriebener Vertrag vorliegt. Betroffen sind in der Regel Menschen, deren Asylantrag zwar abgelehnt wurde, die aber geduldet werden. Das schafft Verunsicherung bei den Arbeitgebern, auch bei uns. Auch wir beschäftigen eine Reihe von Menschen mit Fluchthintergrund und machen mit ihnen beste Erfahrungen in vielen sozialen Bereichen. Mit sozialer Kompetenz, Engagement und Lernbegeisterung überzeugen die Geflüchteten in der Altenpflege, im hauswirtschaftlichen Bereich, bei der Sozialberatung, in der Alltagsbetreuung oder in der Haustechnik. 

Die bundesweite 3+2-Regelung ist zwar ein guter Ansatz, sie darf aber durch Einschränkungen nicht verbaut werden. Und wir erleben eine höchst unterschiedliche Anwendung des Rechts in München und Oberbayern. So schöpfen die Landeshauptstadt München, der Landkreis München und einige Landkreise ihren Ermessenspielraum voll aus – zum Wohle der arbeitswilligen Geflüchteten und im Interesse der bayerischen Wirtschaft. 

Zu einer erfolgreichen Integrationspolitik gehört für mich, dass Asylbewerber und Geflüchtete arbeiten dürfen. Jeder Mensch sollte das Recht haben, die Gesellschaft aktiv zu unterstützen und eine sinnvolle Beschäftigung zu bekommen. Die meisten Geflüchteten wollen der Gesellschaft ohnehin etwas zurückgeben. Wer sich integriert, wer die Sprache lernt und arbeitet, sollte einen Aufenthaltsstatus erhalten. Fakt ist, dass Integration über eine geregelte Beschäftigung besser gelingt. Aber auch unabhängig vom Integrationsziel ist Arbeit nicht nur für die Geflüchteten von Vorteil, sondern auch für die Menschen in deren räumlichem Umfeld – etwa in und um Ankerzentren oder Gemeinschaftsunterkünften. Denn Aggressions- und Gewaltpotenzial reduzieren sich deutlich, wenn die Asylbewerber und Flüchtlinge nicht nur zum Nichtstun verdammt sind.